2. Jeanne Baret (* 27. Juli 1740; † 1807)

Reisen zu einem bestimmten Ziel – Forschungsreisende

2. Jeanne Baret (* 27. Juli 1740; † 1807)
Porträt: Julia Sand 2021 –  Acryl auf Papier

 

Jeanne Baret mit phrygischer Mütze, der Mütze der französischen Revolution.

Als Mann verkleidet, unter dem Pseudonym Jean Baré, umsegelt sie als erste Frau die Welt und entdeckt dabei über 3000 neue Pflanzenarten. Ihre Arbeit als Botanikerin und die von ihr angelegte Sammlung von exotischen Pflanzen, die sich im Muséum National d’Histoire Naturelle in Paris befindet, sind bis heute wichtige wissenschaftliche Ressourcen. 

1740 geboren und in einem kleinen Dorf im Burgund aufgewachsen, übt sie sich von klein auf in Kräuterheilkunde. Als Kind armer Tagelöhner muss sie schon früh ihren Lebensunterhalt selbst verdienen. Dabei begegnet sie dem angesehenen und fanatischen Botaniker Philibert Commerson, der sie als Haushälterin und Assistentin engagiert. Die beiden werden ein Liebespaar und leben heimlich in wilder Ehe zusammen, weil ihre Verbindung aufgrund der Standesunterschiede nicht legalisiert werden kann. 

Als Admiral Louis-Antoine de Bougainville von der französischen Regierung unter Ludwig dem XV.  beauftragt wird, die Welt zu umsegeln, mit der Aufgabe neue Kolonien und Märkte zu erschließen, lädt er Philibert Commerson ein, diese Reise zu begleiten. Jeanne Baret will mit!

Doch die Anwesenheit von Frauen auf Marineschiffen ist verboten und sie weiss, dass es keinen Sinn macht, offen dagegen zu rebellieren (die französische Revolution liegt in 23jähriger Ferne – noch trägt der Adel mit wertvollem Mehl gepuderte Perücken). So löst sie das Problem auf ihre ganz eigene Art: Sie wechselt ihre geschlechtliche Identität und heuert als Jean Baré an, Diener und Assistent des berühmten Botanikers Philibert Commerson. Das hat sie schon öfter getan, wenn sie in Schwierigkeiten steckte und es hat bisher gut funktioniert. Auch Bougainville läßt sie passieren – ob mitwissend oder nicht, ist nicht gewiss.

La Boudeuse

1766 stechen die beiden Boote der Expedition (Boudeuse und Etoile) von Nantes aus in See. Ihre ersten Ziele sind Uruquay/Montevideo und Brasilien/Rio de Janeiro. Weiter geht es vorbei an Patagonien und der Antarktis durch die Magellanstrasse in den Pazifik nach Tahiti und Papua NeuGuinea. Commerson und Baret sammeln an allen Reisezielen Pflanzen und legen sie in Herbarien an. Zu diesen Pflanzen gehört auch eine neue Art von blühendem Wein, den Jeanne Baret bei einem Landgang aufsammelt und der heute nach dem Leiter der Expedition benannt ist: Bougainvillea. 

 

Während der ersten zwei Jahre an Deck zwischen mehreren hundert Männern, gelingt es Jeanne Baret ihr Geheimnis zu wahren. Wer misstrauisch wird, bekommt zur Antwort, Jean schäme sich dafür, Eunuch zu sein. Nachts schläft sie bzw. er, wie für Bedienstete üblich, in der Kajüte ihres „Herren“ und heimlichen Geliebten. Doch dann tritt die unerwünschte Katastrophe ein: einige Bewohner Tahitis erkennen, woran auch immer, dass Jean Baré eine Frau ist und tun das lautstark kund.

Bougainville will sie zunächst von Bord werfen, läßt sich schlußendlich erweichen und holt sie zurück – vor allem, weil Commerson schon seit Wochen krank ist.

Da Jeanne Barets Tagebücher verloren gingen, sind wir auf die Logbücher Bougainvilles angewiesen, um uns ein Bild von den Ereignissen zu machen, denen sich Jeanne Baret nun ausgeliefert sieht. Es bricht eine Hölle über sie herein. Sie wird wieder und wieder von Besatzungsmitgliedern vergewaltigt. Bis die beiden endlich auf der französischen Kolonie Mauritius bei einem alten Freund Commersons unterkommen, der dort als Gouverneur amtiert. Sie bleiben fast fünf Jahre, machen Ausflüge auf die Nachbarinseln Madagaskar und Réunion, und sammeln über 6000 Pflanzenarten, die sich heute im Muséum National d’Histoire Naturelle  befinden. Als Commerson, der notorisch vor sich hinkränkelt, 1773 stirbt, setzt Jeanne Baret die gemeinsame  Arbeit selbständig fort. Sie ist 33 Jahre alt, sitzt mitten im indischen Ozean fest, denn sie hat kein Geld, um nach Frankreich zurückzukehren. Sie beschließt neben ihrer botanischen Tätigkeit ein Hafenlokal zu eröffnen. Dort lernt sie einen französischen Soldaten auf der Durchreise kennen, heiratet ihn und reist mit ihm 1775 nach Frankreich zurück, die botanischen Schätze mit im umfangreichen Gepäck. Damit vollendet sie ihre historische Weltumrundung, wenn auch anders als beabsichtigt. In Frankreich kann sie glücklicherweise eine großzügige Erbschaft antreten: in seinem Testament hat ihr Commerson seinen Haushalt und seine botanischen Kollektionen mit dem Auftrag vermacht, dass sie die auf der Reise angelegte Sammlung in die von Commerson erstellte französische Sammlung eingliedert. Ihre Kenntnisse und ihre Erfahrung als Botanikerin ermöglichen es ihr, diese Arbeit durchzuführen und die Sammlung anschließend dem Cabinet des Estampes, dem königliche Kupferstichkabinett, zu übergeben. Ihr weiteres Leben verbringt sie in Saint-Aulaye in der Dordogne, der Heimat ihres Mannes, wo sie im Jahr 1807 im Alter von 67 Jahren stirbt. 

Während mehr als 70 Pflanzen, Insekten und Mollusken nach Commerson benannt wurden, die alle die Bezeichnung commersonii tragen, und die heute weltbekannten Bougainvillea-Arten nach dem Kommandanten der Expedition getauft wurden, erhielt Baret erst 2012 eine solche Ehrung: Eric Tepe, Professor für Biologie an der Universität Utah, benennt ein neu entdecktes Nachtschattengewächs auf den Namen Solanum baretiae.  

Solanum baretiae

Da Jeanne Baret sich immer wieder neu positionieren und erfinden musste, können alle Informationen über sie wahr sein oder auch erfunden. Wir sind auf unsere eigenen Spekulationen  und die ihrer Biograph_innen angewiesen: John Dunmore („Monsieur Baret, first woman around the world“, 2002) und Glynis Ridley („The Discovery of Jeanne Baret. A story of science, the high seas, and the first woman to circumnavigate the globe“, 2010). 

Warum Jeanne Baret auf der einzigen auffindbaren Abbildung die Mütze der Jakobiner trägt, wird nirgends zufriedenstellend erklärt. Und somit wissen wir nicht, welche Rolle sie in den Revolutionsjahren gespielt hat. Eine glänzende, ist anzunehmen, aber als was sie sich verkleidete, darüber können wir nur spekulieren.

 

 

 

 

Text: Elfe Brandenburger

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