Gabriel Tallent
Mein Ein und Alles
Die 14jährige Turtle Alveston lebt mit ihrem Vater Martin in den Redwood-Wäldern Nordkaliforniens. Martin, ein gut aussehender halbintellektueller Öko-Selfmade-Hippie und einstiger Frauenschwarm, hat sich vom Rest der Welt abgeschottet und steigert sich in Verschwörungstheorien hinein, die an Verfolgungswahn grenzen.
Er will seine Tochter zur perfekten autarken Jägerin erziehen, die auf nichts und niemanden auf der Welt angewiesen sein muß – außer auf ihn und seine alles umfassende Liebe. Er zeigt ihr, wie die Natur funktioniert und wie man sich gegen die „böse“ Zivilisation verteidigt.
Schon im Vorschulalter bringt er ihr das Schießen bei:
tägliche Übungen mit unterschiedlichen Kalibern, Verteidigungsspiele mit imaginierten Angreifern. Turtle liebt ihren Vater, längst ist sie zu seiner Geliebten geworden, was sie hasst, wofür sie sich selbst hasst.
Wie sich Turtle im Laufe ihrer Pubertät aus dieser quälenden ambivalenten Bindung befreit, das beschreibt dieser Roman in fast unerträglicher Intensität, voller Rückschläge und hoffnungsraubender gewaltexzessiver Auseinandersetzungen.
Kein Buch für zarte Gemüter, aber ein aufschlussreicher Einblick in die Tücken einer von Mißbrauch bestimmten Eltern-Kind-Symbiose.
Gabriel Tallent, selbst im Norden Kaliforniens (mit zwei Müttern) aufgewachsen, räumt ein, dass sein Debüt durchaus autobiografische Spuren enthält. Zumindest was das hippie-eske feministische Umfeld und seine Kenntnisse der Natur angeht. Er schrieb acht Jahre an diesem Buch und hatte ursprünglich vor, einen Roman über die Zerstörung der Umwelt und den Klimawandel zu schreiben. Doch im Verlauf der jahrelangen Auseinandersetzung mit dem fanatisierten und ignoranten Teil der nordamerikanischen Gesellschaft, entstand diese Figur „Turtle“ und ihr emanzipatorischer Kampf gegen die sadistische Gewalttätigkeit ihres Vaters.
Gabriel Tallent wurde auf einen Schlag mit seinem Debüt berühmt und sorgte in den USA für heftige Debatten. Vor allem die große Rolle, die Waffen in diesem Roman spielen, hat ihm eine Menge Kritik eingebracht. Doch es macht eine von Waffen besessene, Trump-wählende Gesellschaft sichtbar. In der Kritik wurde der Roman mit Hanya Yanagihara „Ein wenig Leben“ verglichen.
Ein Lesetipp von Elfe
Gabriel Tallent – Mein Ein und Alles
ISBN 978-3-328-60028-2
Originalausgabe My Absolute Darling, New York 2017
Deutsche Übersetzung von Stephan Kleiner, Penguin Verlag, München 2018 – 24,00 €