Ricoh Gerbl ist eine Schrift- und Bildkünstlerin, die sich ihren Wort- und Malerwelten, bis hin zur Fotografie, vollkommen ausliefert, wenn sie an ihnen arbeitet. Sie begann mit der Fotografie, erweiterte sich danach in die Malerei hinein und gelangte schließlich in die Schriftstellerei. Sie sagt, dass sie sich „beim Schreiben nicht nur mit dem Text herumschlagen muss, mit dem Inhalt, der Schreibweise, sondern auch mit mir, um überhaupt an den Text heranzukommen.“
In der bildenden Kunst ist bei mir das „zentrales Thema die ‚Pfropfung‘, was heißt, ich füge Disparates ineinander. In meinen künstlerischen Arbeiten wende ich diesen Begriff auf zwischenmenschlichen Verhaltensweisen an. Entweder stelle ich Situationen her, oder ich fotografiere in Szene gesetzte Momente, in denen ein Übergriff oder eine Veredelung, oder auch beides stattfindet.“
Als tieferes Motiv hinter ihrer Kunstproduktion sieht sie Situationen, in denen sie keine Ordnung findet, die sie zufrieden stellt. Sie beginnt dann damit, auch immer mit einem gewissen Zwang verbunden, umzuordnen: Dinge, Inhalte anders zusammenzustellen. Und wenn sie eine neue Ordnung gefunden hat, die für sie mehr greift, dann macht sie das glücklich. Solange bis es wieder jemand gibt, für den diese Ordnung nicht greift und alles wieder von vorne beginnt.
Sie fühlt sich In der Literatur von der Vorgehensweise des Fotografierens beeinflusst: „Mich interessiert das Ausschnitthafte, das Einfangen und Beschreiben eines Moments. Die fotografische Aufnahme ist das technische Festhalten eines aus einer Bewegung kommenden Moments. Eine Stadtaufnahme, die es im Leben so nicht gibt, weil das Leben nicht stehen bleiben kann. Das Einfangen von Bewegung im Sinne von Vorher und Nachher, ist, anders als im Film, in der Fotografie nicht möglich. In meinen Texten verhält sich das auch so; es findet keine Bewegung statt.
Die Texte sind Standaufnahmen, die von der Fülle der Details leben und nicht vom Vorher und Nachher.“
Ricoh Gerbl lebt seit Ende der achtziger Jahre in Berlin, wo sie erst nach längerer Anlaufphase ihre Arbeit als bildende Künstlerin im Medium Fotografie aufgenommen hat. Außerdem schrieb sie einen Roman (Henri. Eine Verpuffung, 2005) sowie eine Sammlung von Kurzgeschichten (Leben im Luxus, 2006)