Lee Miller – Krieg

Lee Miller

Reportagen und Fotos. Mit den Alliierten in Europa 1944 – 45
-Ein Tipp von M. Freerix-
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Als junge Frau stand Lee Miller vor der Kamera, war Model. Doch hübsche Klamotten anzuziehen und dazu zu lächeln fand sie schnell langweilig. Das Medium Fotografie interessierte sie viel mehr. Sie ging nach Paris, klopfte bei dem Surrealisten Man Ray an die Wohnungstür und wurde seine Assistentin. Von ihm lernte sie ihr fotografisches Handwerk, und durch ihn unglaublich viele Menschen kennen, zwischen denen sie sich elegant bewegte.
Bald machte sie sich selbständig und wurde, ironischerweise, Modefotografin. Das brachte gutes Geld, aber wenig Freude. Miller wollte mehr, wollte Abenteuer, nicht nur Frauen in Klamotten in irgendwelchen Settings fotografieren. Der Kriegseintritt der US-Amerikaner brachte ihr schließlich die Chance. Sie konnte die Leitungsabteilung der Modezeitung Vogue, bei der sie fest angestellt war, dazu überreden, das sie Kriegskorrespondentin wurde. Kurz nach der Landung der Alliierten ging sie nach Nordfrankreich – als einzige weibliche Kriegskorrespondentin überhaupt. Nur selten war sie in vorderster Front, doch trotzdem dicht dran am Geschehen, und vor allem interessierte es sie, was für Spuren der Krieg in den Menschen, den diese durchlebt hatten, hinterließen. Zu jeder Bilderserie, die in der Vogue veröffentlicht wurde, musste Miller  einen Text schreiben, und das fiel ihr sehr schwer. Sie brauchte eine Flasche hochprozentiges, um überhaupt was Lesbares zustande bringen zu können. Dabei sind ihre Texte bemerkenswert gut geschrieben. Vor allem schreibt sie von sich selber, von ihren Erlebnissen als Frau im Krieg, unter Männern, als Teil einer Männergesellschaft, dem Soldatentum.  Sie war auch dabei, als die US-Truppen Dachau und Buchenwald einnahmen. Tagelang blieb sie dort, machte zahllose Aufnahmen, mit denen sie dieses Grauen zu begreifen versuchte. Mit den Deutschen hatte sie anschließend überhaupt kein Mitleid mehr.
Ihr vielleicht berühmtestes Foto ist ein Selbstporträt von ihr in der Badewanne von Hitlers Privatwohnung in München, noch kurz vor Kriegsende. Im Text dazu beschreibt sie den Zustand dieser Wohnung, und die Personen Hitler und Eva Brauns anhand ihrer Hinterlassenschaften. Nach dem Krieg kehrte Miller nicht in die Modefotografie zurück. Sie heiratete ihren langjährigen Lebenspartner, Roland Penrose, bekam einen Sohn und wurde eine ausgezeichnete Köchin, die ein dickes Kochbuch verfasste. Das sie keine Reportagen mehr schrieb ist wirklich schade. Sie hatte ein großes Talent, ihre eigenen Eindrücke eindringlich aufzuschreiben.
Edition Tiamat; 336 Seiten; 24,00 Euro.
ISBN: 978-3-89320-178-5
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vonpaula

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